Menschen, die in Holz schneiden, sind angeblich von ganz bestimmter Mentalität und spezifischem Charakter. Ich kann das nicht beurteilen. Ich mache ja, neben anderen Dingen, selbst Holzschnitte. Warum Holzschnitt? Schwierig zu beantworten. Im Laufe der Zeit habe ich auf so genannte logische Begründungen verzichten gelernt. Warum, also? Mir gefällt diese Technik ganz einfach. Was bietet der Holzschnitt? Das Material war, ist lebendig. Es ist ein organisches Material. Welches andere noch in diesem Ausmaß? Die Struktur des Holzes, die man meiner Ansicht nach immer berücksichtigen soll, verleiht dem Dargestellten Leben, trotz starrer, strenger Form. Und das ist auch das zweite, was mich zum Holzschnitt hinzieht: die Strenge, die einem vom Material her aufgezwungen wird. Überhaupt das Beschränken auf ganz wenige Ausdrucksmittel. Holzschnitt ist eine Art von Stenographie. Das Wesentliche des Objekts muss erfasst und dargestellt werden. Determiniertes hat im Holzschnitt keinen Platz. Deshalb auch sein asketischer Charakter. Drittens: Man ist unabhängig. Man benötigt keine Maschinen. Man kann in dieser Technik ohne den viel gepriesenen Fortschritt auskommen. Da ist der Zeichenstift, der Pinsel, die Holzplatte, die Messer, Farbe, Papier und bin ich. Und das genügt mir.
Erwin Bracher
Aus der Festschrift „100 Jahre Hochschulstatut- Akademie der bildenden Künste“ Wien,1972